Paul - Sido

Die Therapie selbst führt er durch das Schreiben seines aktuellen Albums „Paul“ fort. Die Platte beginnt direkt mit einer Therapiesitzung. Im Intro zeigt sich schon, dass hier nicht Sido, der Rapstar zu Gast ist, sondern der Privatmensch Paul Würdig. Oftmals kündigen Künstler*innen floskelhaft das „persönlichste Album ihrer Karriere“ an und klischeehaft sprechen sie vom Schreiben als Therapie. Sidos neuntes Album hingegen ist frei von Floskeln und Klischees. Es ist extrem ehrlich und erbarmungslos echt. Es handelt von der Trennung, Einsamkeit, Drogen, Scheitern und Schmerzen. Die traurigen Themen werden verpackt in schöne Melodien, Ohrwürmer und besten Deutschrap. „Rollender Stein“ ist Sidos Abrechnung mit sich selbst als Vater. Der Song ist sowohl eine Entschuldigung und Erklärung als auch eine Liebeserklärung an die eigenen vier Kinder. Ein Hit, der unter die Haut geht. Gleiches gilt für „Gar nicht mal so glücklich“. Zusammen mit Estikay beschreibt er das Unglück im Glück des Erfolges, die Traurigkeit hinter der schillernden Fassade. Wie gut Sido mit anderen Künstler*innen harmoniert, zeigt auch „Zwischen den Wolken“. Irgendwo zwischen der Freiheit der Höhe, der Sehnsucht nach dem Fall und dem Bedürfnis, am Boden zu bleiben, nimmt er seine Fans zusammen mit Karen und Tarek von K.I.Z mit auf einen emotionalen Trip mit Gänsehautgarantie. Tarek unterstützt Sido ebenfalls auf „3 Monde“. Ein Song über die Sucht, die Nacht und das Wachbleiben ohne Grund, der eine der eindringlichsten Zeilen des Albums liefert: „Ich komme überall rein, nur nicht ins Reine“. Das Dilemma des Eskapismus in nur einem Satz. Zum Ende des Albums schafft Sido den Bogen zum Versöhnlichen und der Hoffnung. Die bereits erfolgreich zuvor veröffentlichte Single „Mit dir“ sowie „Liebst du mich“ sind voller Liebe und Herzlichkeit. „Paul“ findet ein passendes und gelungenes Ende für ein Album, das durch seine Vielschichtigkeit besticht. Sido versteht es wie kaum ein anderer, auf Beats voller Melancholie und zukünftiger Sounds Emotionen einzufangen und zu wecken. Es wird nichts beschönigt, nichts glorifiziert und alles geht direkt in den Kopf und ins Herz. Mit „Paul“ hat er es geschafft, sich mutig von einer neuen Seite zu zeigen und den Mann hinter der Maske so ehrlich wie nie zu präsentieren. Der Erfolg als Künstler ist Sido damit garantiert, aber viel wichtiger ist, dass es ein weiterer Schritt für Paul Würdig ist, um „ins Reine zu kommen“.